Die Idee der GI
kam Ende der sechziger Jahre auf. Voraussetzung für ihre Entwicklung waren die Beschäftigung mit Zwölftonmusik, mit der seriellen und elektronischen Musik der 50er und 60er Jahre und der Loslösung der musikalischen Phantasie von den tonalen Hörgewohnheiten. Entscheidend aber war das anarchistische Komponieren (vgl. METZGER, 1978, 151) von John CAGE, das es erlaubte, „der vom tonalen Denken befreiten musikalischen Phantasie, die komplizierten, technokratischen Ordnungsprinzipien der seriellen Komposition abzulegen und neue, humanere Wege zu gehen.“ (KAPTEINA, 1988, 77) CAGE wollte den Musikern die Würde von autonomen musikalischen Subjekten schenken, doch reagierten sowohl die Berufsmusiker als auch das zahlende Publikum „albern, aggressiv, mit Angst und Unsicherheit.“ (KAPTEINA, 1988, 78)
KAPTEINA erinnert sich an einen VHS-Abend 1969 oder 1970 mit Gertrud MEYER-DENKMANN, der ihm entscheidende Anstöße gab, aufgrund ihrer Aufforderung, mit den Stühlen zu musizieren:
„… Wir standen zaghaft auf
und wandten uns unseren Stühlen zu, betasteten sie vorsichtig; unmerklich geschah eine Veränderung mit mir: ich wurde Komponist und Musiker – , mit dem Stuhl: er wurde Instrument – und mit der Beziehung zwischen dem Stuhl und mir. Es versank alles um mich herum; ich war gefangen vom Zauber einer rätselhaften Interaktion: zuerst war da eine stetig anwachsende Neugier auf die klanglichen Möglichkeiten des Stuhls; von dem Zeitpunkt an, da die Freude an immer wieder neuen klanglichen Entdeckungen zu verebben begann, stellte sich die Lust am Wiederholen, Kontrastieren, Rhythmisieren, Crecendieren ein, am Formulieren von Motiven, am Variieren. Dann hielt ich inne und horchte in mich hinein.
Die Klänge wirkten in mir nach,
verklangen allmählich; es entstanden neue Klänge in meiner Vorstellung, die ich dann am Stuhl realisierte. Dann öffnete sich allmählich meine Wahrnehmung zu dem hin, was die anderen machten. Ich nahm die Vielfalt der unterschiedlichen Klanggestalten auf, spürte den Botschaften nach, die sie enthielten, und wußte von diesem Moment an, daß nicht mehr erforderlich ist, um mit Menschen in eine musikalische Beziehung zu treten: ein Stuhl – oder sonst irgendein klangfähiger Gegenstand – und die Bereitschaft, dessen klangliche Möglichkeiten zu erfassen, die eigene Klangphantasie zuzulassen, nach innen zu hören und die musikalischen Botschaften in sich selbst wahrzunehmen und diesen die ihnen entsprechende Klanggestalt zu verleihen.“ (KAPTEINA, 1988, 78f)