5.1 Musikimprovisation mit Kindern
5.2 Musikimprovisation mit Jugendlichen
5.3 Musikimprovisation mit Suchtkranken
5.4 Musikimprovisation mit behinderten Menschen
5.5 Musikimprovisation mit alten Menschen
5.6 Musikimprovisation mit Familien
5.7 Musikimprovisation in der Ausbildung
In diesem Kapitel untersuche ich
die Anwendung von MI in klassischen sozialpädagogischen Praxisfeldern. Dies entspricht – zumindest was die Theorie betrifft – einer Forderung von Siegfried VOGELSÄNGER, die besagt: „An einzelnen Arbeits- und Problemfeldern sollen die Studierenden exemplarisch das Spezifische und Typische sozialpädagogischer Arbeit und Musik kennen- und verstehen lernen.“ (in FINKEL, 546) Schließlich gibt es beispielsweise in der Arbeit mit Kindern andere Schwerpunkte als in der Arbeit mit Senioren. Soweit möglich versuche ich dies anhand der von mir während des Studiums in Honorartätigkeiten und Praktika, vor allem im Kinder- und Jugendbereich, gesammelten Erfahrungen aufzuzeigen. Ansonsten stütze ich mich auf – mitunter etwas unbefriedigendes – Quellenmaterial. Gerade in der Familienbildungsarbeit besitze ich keinerlei praktische Erfahrung, stieß jedoch erfreulicherweise auf einen sehr ergiebigen Beitrag von Hartmut KAPTEINA zu diesem Thema, dessen Gedanken und Erfahrungen deswegen zusammenfassend dargelegt werden.
Gruppenimprovisation in der sozialpädagogischen Praxis
bedeutet die Verknüpfung von Kultur- und Sozialarbeit. Hier nun zu differenzieren, ob und wann es sich um kulturelle Sozialarbeit oder soziale Kulturarbeit handelt, finde ich unnötig. Für ergiebiger halte ich eine Diskussion um die Bedeutung und Legitimation von GI in der sozialen Arbeit.
Die härteste Kritik von seiten eines in diesem Bereich Tätigen fand ich bei VOGELSÄNGER (in FINKEL, 546ff). Ausgehend davon, daß Sozialpädagogik es oft mit ‚Außenseitern‘ und ‚Randgruppen‘ der Gesellschaft zu tun hat, die an deren Mittelstandsnormen scheitern, wird gefolgert, daß ihnen mit der Vermittlung einer ‚musikalischen Allgemeinbildung‘ in keiner Weise gedient ist. Tiefgreifende Veränderungen beim Klientel sind ohne therapeutische Arbeit nicht möglich. Zudem ist es die – vom Menschen geschaffene – Gesellschaft, die die Menschen krank macht, und sie kann nur verändert werden, wenn sich qualitativ und quantitativ genügend in den Menschen ändert. Traditionelle sozialpädagogische Arbeit kann hier nicht viel bewirken, sie ist in der Regel nur eine Art ‚Erste Hilfe‘; ihre politische Legitimation liegt wohl nur darin, jene Außenseiter und Angehörige von Randgruppen wieder unauffälliger und funktionsfähiger zu machen. Wenn man an diesem Punkt nicht resignieren will, müssen Vorstellungen entwickelt werden, die darauf abzielen, daß Menschen sich und ihre Umwelt verändern lernen.
Dies kann durch Selbsterfahrung möglich sein
und ein Weg dazu führt über improvisierte Musik. Auch wenn Vogelsänger der Meinung ist, daß sowohl kurzfristige Hilfe für ‚Benachteiligte‘ unserer Gesellschaft als auch langfristige Maßnahmen – nämlich die Veränderung von Verhältnissen, die diese Benachteiligung hervorbringt -, jenseits von Musik liegt, ja nicht einmal musikalisch erprobt werden kann, so habe ich im Verlauf der Entstehung dieser Arbeit genügend Hinweise darauf gefunden, daß durch GI die Möglichkeit der Veränderung gegeben sind, auch wenn Vogelsänger dies als naiv oder zynisch bezeichnet. Selbstverständlich kann die Arbeit mit Musik einem verarmten Menschen nicht den Gang zum Sozialamt ersparen, wo er möglicherweise Unterstützung findet, um seine momentanen Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung und Wohnraum zu befriedigen. Doch um Veränderungen zu bewirken oder gar präventiv tätig zu werden, dafür ist m.E. der Einsatz von improvisierter Musik geradezu prädestiniert. Schließlich vermittelt sie „Impulse zum Entdecken, zum Verändern, Verwerfen und immer wieder Neugestalten“ (THOMAS in FINKEL, 503), und Ellen Maria KIENHORST hält es für eine Aufgabe der mensch-lichen Gesellschaft, „das Bewußtsein für permanente Veränderung ständig wach zu halten.“ (in FINKEL, 498)