Die sozialen Veränderungen dieses Jahrhunderts
treffen besonders die Gruppe der heutigen Senioren. Ihr jetziges Umfeld unterscheidet sich stark von dem, welches sie geprägt hat. Deshalb gehört zur Vorbereitung der Arbeit mit alten Menschen das Vertrautwerden des – meistens weit jüngeren – Sozialpädagogen mit den damaligen Lebensumständen und vor allem der Musik, durch die die heutigen Senioren geprägt wurden oder mit der sie ihre emotionalsten Augenblicke erlebt haben. Auch wenn ein direkter Zusammenhang solcher Lieder mit dem Element der Improvisation kaum erkennbar ist, so ist gerade in diesem Praxisfeld die Integration komponierten Liedgutes kaum zu umgehen. Schließlich ist sie eine der beiden Möglichkeiten, Zugang zu finden, indem innere Bilder heraufbeschworen werden. Naheliegend also, daß zu der betreffenden Musik Bilder gemalt werden, die dann wieder als Vorlage für eine GI dienen können.
In klangorientierten Improvisationen,
denen Naturbilder oder Emotionen thematisch zugrunde liegen, besteht die andere Möglichkeit. Denn erlebte Natur hatte für Senioren einen höheren Stellenwert, es lassen sich Assoziationen wecken, „deren athmosphärischer Gehalt sich akustisch mitteilen läßt. Voraussetzung dazu sind äußere Ruhe, viel verfügbare Zeit, die die Imaginationsfähigkeit, das Herauflösen innerer Bilder, deren Auf- und Nachspüren überhaupt erst erfahrbar werden lassen.“ (KIENHORST in ROSCHER, 98) Dies bedeutet eine Anregung der Wahrnehmung, des Reaktions- und Erinnerungsvermögens sowie der Motivationsbereitschaft und Phantasie, nach MALER die kognitiven Aspekte alterungsrelevanter Merkmale (in FINKEL, 258ff).
Die Verbindung von Musik und Sprache,
hier durch Gedichte oder – wie Ellen Maria KIENHORST vorschlägt – Haikus (sparsame japanische Naturlyrik), kann alte Menschen besonders ansprechen und improvisierte Textklangszenen entstehen lassen. Auch Tanz und Bewegung, ähnlich wie die komponierte Musik an den Jugenderfahrungen der Senioren orientiert, wenn auch eher mit dem Element der Improvisation zu verbinden, bieten Arbeitsmöglichkeiten, die in Zusammenhang mit Musik gerade auf physiologische Aspekte, nämlich Sinnesfunktion und Motorik, positiv einwirken.
Weitere Veränderungen können
durch musikpädagogische Arbeit bezüglich der affektiven Aspekte (wie Antriebsfaktoren, Frustrationstoleranz, Selbstbeobachtung, Begeisterungsfähigkeit und Stimmungsabhängigkeit) als auch der sozialen Aspekte (Interaktion mit der Umwelt, Geborgenheitsgefühl und Introversionshaltung) erzielt werden. VOGELSÄNGER sieht die Bedeutung von Musik in der Altenarbeit als Medium, das aus der Isolierung löst, von depressiven Stimmungen befreit, Freude an der Bewegung vermittelt und damit aktiviert. Dies führt zu einer positiven Grundeinstellung, die Gespräche über persönliche Probleme entstehen läßt (in FINKEL, 549).
Zur Hervorbringung der Musik ist – neben der Verbindung von Bewegung und Körpermusik – ein erweitertes Orffsches Instrumentarium zu empfehlen.